Neuheiten auf der CES Fahrerlos mobil
Alljährlich im Januar geben sich Autohersteller und Zulieferer auf der Elektronikmesse CES ein Stelldichein. Hier präsentieren sie einem digitalaffinen Fachpublikum ihre Zukunftsvisionen – und manchmal auch realistische Ausblicke auf Serienmodelle.

Ganz individuell auf die eigene Persönlichkeit zugeschnitten oder vom Computer gesteuert in einer größeren Gruppe – auf beide Arten kann man künftig hochmodern unterwegs sein. Zumindest dann, wenn die Visionen der Autohersteller und Zulieferer Realität werden, die diese im Januar auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas vorgestellt haben.
Für den Gruppengedanken beim Fahren waren dabei eher die Zulieferer zuständig. So präsentierte Benteler beziehungsweise dessen Tochter Holon ein autonomes, vollelektrisches Shuttle namens „Mover“. Es soll maximal 60 km/h schnell sein und mit einer Batterieladung etwa 290 Kilometer weit kommen. Das Fahrzeug soll im Linienverkehr sowie für „On-Demand“-Angebote zum Einsatz kommen. In Deutschland will Holon mit der Hamburger Hochbahn ein Pilotprojekt starten.
Der Mover bietet bis zu 15 Fahrgästen Platz – auch solchen mit Handicap. Das Fahrzeug verfügt über elektrische Doppelflügel-Türen, Türlichtschranken, eine automatisch ausfahrbare Rampe und eine Absenkfunktion für den barrierefreien Zugang. Die Technik soll Rollstühle im Fahrzeuginneren automatisch fixieren. Außerdem sei ein audiovisueller Guide für sehbehinderte Menschen an Bord, kündigte Holon an. Der Produktionsstart ist allerdings erst für Ende 2025 geplant.
Etwas schneller dürfte es mit dem autonom fahrenden Shuttle-Bus von ZF losgehen, schließlich soll dieser laut einer Ankündigung des Unternehmens bereits in Kürze tausendfach als Verkehrsmittel in amerikanischen Städten unterwegs sein. Und es gibt bereits ein Vorgängermodell. Doch im Vergleich zu diesem ersten „People Mover“ ist der Neue deutlich selbstständiger. Er benötigt keine eigenen Fahrspuren mehr, sondern wuselt sich mit Sensorhilfe durch den allgemeinen Verkehr.
Das neue Shuttle ist laut ZF mit Lidar-, Radar-, Kamera- und Geräuscherkennungssystemen ausgestattet. Die Konnektivitätsplattform „ZF Pro Connect“ ermöglicht eine Kommunikation mit der Verkehrsinfrastruktur und der Cloud, im Supercomputer „ZF Pro AI“ laufen alle Daten im Fahrzeug zusammen. Der „Virtual Driver“, die ZF-Software für autonomes Fahren, verarbeite diese Informationen und leite daraus mittels künstlicher Intelligenz sichere Fahrstrategien ab, heißt es von ZF.
Die elektrische Reichweite gibt der Zulieferer mit bis zu 130 Kilometern an. Die Höchstgeschwindigkeit soll zunächst bei 40 km/h liegen, in der weiteren Entwicklung bei 80 km/h. Insgesamt sollen 22 Personen im Shuttle Platz haben, bis zu 15 Sitzplätze sind vorgesehen.
Zielgerichtete Wärme
Zugleich will ZF aber auch einen Beitrag zum Fahrkomfort im (Elektro-)Auto leisten: mit einem beheizbaren Gurt. Der soll nicht nur für Sicherheit und wohlige Wärme sorgen, sondern auch den Verbrauch senken und damit die Reichweite erhöhen. Schließlich könne dann die energieintensive Beheizung des gesamten Innenraums reduziert werden.
Continental kümmert sich eher um die Augen der Autofahrer. Der Zulieferer präsentierte auf der Messe ein 1,29 Meter breites Display, das sich über die komplette Breite des Armaturenbretts erstreckt. Die Besonderheit dabei: Das „Curved Ultrawide Display“ ist nicht, wie aktuelle besonders breite Displayanzeigen, physisch in Segmente unterteilt. Stattdessen gehen die Inhaltsbereiche nahtlos ineinander über. Eine Matrix-Hintergrundbeleuchtung soll für eine gute Bildqualität mit hohem Kontrast sorgen. Zudem erlaubt sie es, einzelne, gerade nicht benötigte Bildschirmbereiche zu dimmen. Das spart laut Continental Strom und verbessert die Lesbarkeit. Eine Serienproduktion des Displays ist für 2025 geplant.
Sein Riesendisplay verbindet Continental mit einem unsichtbaren Bedienfeld unterhalb des Bildschirms, damit der Fahrer auch Funktionen betätigen kann, die außerhalb seiner Armreichweite liegen. Dessen Shy-Tech-Tasten leuchten nur bei Bedarf durch die Oberfläche des Armaturenbretts hindurch. Trotzdem sollen sie beim Bedienen eine haptische Rückmeldung erzeugen, damit Autofahrer Funktionen bedienen können, ohne den Blick lange von der Straße abwenden zu müssen.
Die Pläne der Hersteller
Mit der Gestaltung des Displays befassen sich auch Autobauer wie BMW. Die Münchner präsentierten in Las Vegas ihre Studie „i Vision Dee“. Sie beinhaltet unter anderem ebenfalls ein extrabreites Display, das in der sogenannten „neuen Klasse“ von BMW ab 2025 auch in der Serie Einzug halten soll.
Es wird alle wichtigen Informationen wie Geschwindigkeit und Navigation anzeigen. Und genau wie bei Continental ist es mit einem zentralen Bedienelement kombiniert, das mit der Shy-Tech-Sensorik arbeitet. Hierüber sollen die Insassen unter anderem auswählen können, was das Head-up-Display anzeigt und inwieweit sich die Anzeigen mit der realen Welt vermischen sollen.
Unter anderem haben sich die BMW-Entwickler auch für ein neues Begrüßungsszenario einfallen lassen. So soll der Wagen seinen Fahrer mit Licht- und Soundeffekten willkommen heißen, wenn er sich dem Auto nähert. Außerdem kann der i Vision Dee das Bild eines Avatars des Fahrers oder der Fahrerin auf die Seitenfensterscheibe projizieren, um das Begrüßungsszenario noch stärker zu personalisieren. Mal sehen, ob und was davon wirklich in die Serie einfließen wird.
Die gleiche Frage stellt sich für den Chamäleon-Effekt, den BMW schon im vergangenen Jahr vorgestellt und nun weiterentwickelt hat. 2022 konnten die BMW-Ausstellungsstücke in Las Vegas ihre Farbe zwischen Schwarz und Weiß wechseln. In diesem Jahr war das ausgestellte Konzeptfahrzeug in der Lage, bis zu 32 verschiedene Farben anzunehmen.
Auf wechselnde Farben setzte auch Volkswagen bei seinem Messehighlight; hier war dies allerdings Teil der Tarnung. Die Niedersachsen wollten nämlich noch nicht zu viel vom ID7 bekannt geben, der deshalb nur als getarnte Studie seine Weltpremiere feierte. Allein die Tatsache, dass für den Farbwechsel 40 Schichten Lack notwendig waren, spricht gegen einen serienmäßigen Einsatz dieser Technik.
Das E-Auto in der Größe eines VW Passat soll aber noch in diesem Jahr als Limousine und später als Kombi auf den Markt kommen. Er wird laut VW in der Lage sein, seine Fahrerinnen und Fahrer mit einem vorklimatisierten Innenraum zu empfangen. Eine Fahrabsicht soll das Auto daran erkennen, dass sich ein zum Auto passender Schlüssel nähert. An heißen Tagen startet dann die Kühlung des Innenraums, bei Kälte entsprechend die Erwärmung. Neu konzipierte Luftausströmer steuern dabei den Luftstrom und wedeln dynamisch, um die temperierte Luft schnellstmöglich großflächig zu verteilen.
Sind die Passagiere im Auto, können sie die Lüftung direkt auf den Körper zielen lassen oder den Innenraum indirekt belüften. Spezielle Wünsche zur Klimatisierung soll man im ID 7 per Sprachbefehl äußern können. Laut Werksangaben reagiert der Wagen auf „Hallo Volkswagen, meine Hände sind kalt!“ mit dem Starten der Lenkradheizung. Zusätzlich strömt gezielt warme Luft zu den Händen.
Individuell abgestimmt
Überhaupt will VW für die Bedienung des Wagens den Fokus auf individualisierbare Software und digitale Features legen. So werden ein Augmented-Reality-Head-up-Display und ein 15-Zoll-Bildschirm immer serienmäßig an Bord sein. Neben festen Funktionen soll das Display auch reichlich Platz für individuelle Favoriten bieten. Statt auf Drehregler setzen die Wolfsburger zudem auf beleuchtete Touch-Slider.
Ebenfalls einen Ausblick auf ein kommendes Serienmodell gaben Sony und Honda, die künftig gemeinsam Autos der neuen Marke Afeela bauen wollen. Prototypen von Sony standen schon in den vergangenen Jahren immer wieder auf der CES. Nun haben die Unternehmen den Marktstart für 2026 angekündigt.
Einen Schwerpunkt bei der Entwicklung legen sie auf das autonome Fahren. So soll der Wagen zum Beispiel allein 45 Umfeldsensoren bekommen, die das Verkehrsgeschehen beobachten. Damit die Insassen keine Langeweile bekommen, will Sony für ein Entertainmentprogramm im Innenraum sorgen.
Ein ungewöhnliches Detail des Prototypen war ein Display zwischen den Frontscheinwerfern. Darüber soll das Modell unter anderem mit anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren. Die Idee ist nicht neu, sie war schon in anderen Studien zu sehen. Umgesetzt hat sie jedoch noch niemand. Vielleicht erlebt das Außendisplay mit dem autonomen Fahren seinen Durchbruch.
(ID:49225312)