Batterieentwicklung 1.000 Kilometer Reichweite
Neue Batterien und neue Batteriekonstruktionen ermöglichen künftig deutlich höhere Reichweiten. Batteriewechselstationen sollen bei einigen Herstellern zudem den Ladevorgang verkürzen.

Reichweiten wie ein Diesel und keine langen Ladezeiten mehr – diese Eigenschaften könnten neue E-Autos mittelfristig bekommen, wenn es einige aktuelle Entwicklungen wirklich bis in die Großserie schaffen. Zumindest bei den Reichweiten stehen die Chancen gut dafür. Wenn es dann auch mit der geplanten Infrastruktur klappt, gibt es künftig kaum noch Argumente gegen ein E-Auto.
Denn bisher sind die mögliche Reichweite sowie fehlende Ladesäulen für viele Menschen immer noch die wichtigsten Gründe, sich gegen ein Auto mit batterieelektrischem Antrieb (BEV) zu entscheiden. Die bisher für viele Kunden mangelhafte Reichweite sollen bald neue Batterien verbessern. Unter den Batterieherstellern ist aktuell ein Wettlauf darum entbrannt, als Erstes mit einer Batterie auf den Markt zu kommen, die eine elektrische Reichweite von 1.000 Kilometern ermöglicht.
Fehlende Ladepunkte wollen zudem immer mehr Hersteller mit Batteriewechselstationen kompensieren. Der Tausch einer leeren Antriebsbatterie gegen eine vollgeladene soll schneller gehen als ein herkömmlicher Benzin- oder Diesel-Tankvorgang.
Wechselstationen
In Deutschland ist das prominenteste Beispiel dafür der chinesische Autohersteller Nio. In China betreibt Nio nach eigenen Angaben bereits rund 1.400 Batterietauschstationen und hat dort rund 12 Millionen Tauschvorgänge durchgeführt. Bis Ende 2025 will der Hersteller die Anzahl seiner Akkuwechselstationen in der Heimat auf über 4.000 erhöhen.
Auch in Europa treibt Nio den Aufbau voran. Insgesamt will Nio hier in diesem Jahr 70 Batteriewechselstationen aufbauen. Laut dem Branchendienst eletrive.net kann eine Tauschstation bis zu 13 Batterien lagern. Diese werden innerhalb der Station mit 40 bis 80 kW nachgeladen. Bei hohem Bedarf können bis zu fünf Akkus gleichzeitig mit 80 kW geladen werden.
Wechselstationen wollen auch Fisker und e.Go in Deutschland aufbauen. Beide Autohersteller haben sich dafür den amerikanischen Anbieter von Wechselstationen, Ample, als Partner ausgesucht. Dieser bietet modular aufgebaute Antriebsakkus, die sich in viele Automodelle integrieren lassen können sollen – wenn die Autohersteller mitziehen.
Auch erste deutsche Betreiber glauben an den Erfolg von Batteriewechselstationen. So testet das Unternehmen Inframobility-Dianba derzeit in einem Pilotprojekt mit Taxis in Berlin diese Form des „Tankens“ von E-Autos. Das Joint Venture zwischen einem deutschen Infrastrukturexperten und einem chinesischen Hersteller von Batteriewechselstationen arbeitet nach eigenen Angaben inzwischen mit 16 chinesischen Autoherstellern zusammen. Die Fahrzeuge für das Berliner Projekt stammen von MG.
Zweiter Anlauf
Der Grund für das erneute Aufleben der Batteriewechselstationen ist China. Vor ziemlich genau zehn Jahren war die Idee des amerikanischen Unternehmers Shai Agassi noch gescheitert, der mit dem Unternehmen Betterplace den gleichen Ansatz verfolgt hatte. Außer Renault wollte kein anderer Autohersteller eine Wechselbatterie in sein Auto integrieren. In China erfreuen sich heute jedoch Autos mit Wechselbatterie großer Beliebtheit.
Deshalb bieten viele Hersteller ihre Autos mit dieser Option an. Das hat durchaus Vorteile: Ein Wechselvorgang soll nur etwa fünf Minuten dauern. Wenn die Stationen groß genug sind, können die Batterien relativ schonend geladen und bei jedem Ladevorgang auch gleich geprüft werden. Bei einer genügend hohen Zahl von Batteriewechselstationen können diese zudem das Stromnetz unterstützen und bei Bedarf Regelenergie liefern.
Außerdem ist es leicht möglich, die Antriebsbatterie dem jeweiligen Bedarf anzupassen. Bei Nio können sich Autofahrer beispielsweise für eine Urlaubsreise eine größere Batterie ins Auto einbauen lassen. Pendeln sie dagegen im Alltag meist nur eine kürzere Strecke, können sie auf eine kleinere und damit leichtere Batterie zurückgreifen.
Dem stehen allerdings auch Nachteile gegenüber. Die Hersteller müssen sich auf einheitliche Wechselrahmen und Batteriemodule bzw. Zellenformate einigen, damit nicht jeder Hersteller eine eigene Infrastruktur aufbauen muss. Außerdem lassen sich neue Batteriekonstruktionen eventuell nur schwer als Wechselbatterien ausführen. Das bringt uns zum nächsten Thema: neue Batterien.
Bei den Antriebsbatterien gibt es derzeit zwei Trends, die die Energiespeicher leistungsfähiger machen sollen: neue Konstruktionsformen und neue Werkstoffe. Die neuen Konstruktionsformen sorgen dafür, dass die Entwickler mehr aktives Material in den zur Verfügung stehenden Bauraum packen können.
Cell-to-Pack
Eine dieser neuen Konstruktionen nennt sich Cell-to-Pack. Sind bei herkömmlich konstruierten Antriebsbatterien die Zellen in einzelnen Modulen und diese Module wiederum im Batteriegehäuse als Batteriepack zusammengefasst, verzichtet die Cell-to-Pack-Technik auf die Batteriemodule. Stattdessen sind deutlich größere Batteriezellen direkt im Batteriepack integriert. Dadurch ist es möglich, und 50 Prozent mehr aktives Material im zur Verfügung stehenden Einbauraum unterzubringen. Als weitere Vorteile nennt der Batteriehersteller BYD beispielsweise, dass sich solche Batterien sehr effizient beheizen lassen und dass sie gut zu recyceln sind, wenn sie ihr Lebensende erreicht haben.
Der zweite Trend, der zu größeren Reichweiten führen soll, sind neue Materialien. Dieser Trend könnte zudem auch für schnellere Ladezeiten sorgen. So will einer der weltweit größten Batteriehersteller, CATL, noch in diesem Jahr dank neuer Materialien eine Batterie auf den Markt bringen, die eine sagenhafte Energiedichte von bis zu 500 Wh/kg hat. Zum Vergleich: Aktuelle Lithium-Ionen-Batterien kommen auf eine Leistungsdichte von maximal 280 Wh/kg.
Wie die Chinesen diese Energiedichte erreichen, haben sie allerdings noch nicht verraten. Bisher heißt es in einer Pressemitteilung lediglich, dass die Batterie hochleitfähige biomimetische Elektrolyte im kondensierten (nahezu festen) Zustand nutzt, um die Leitfähigkeit der Zellen und damit die Effizienz des Lithium-Ionen-Transports zu verbessern. Damit könnte die neue CATL „Condensed Battery“ eine sogenannte Fast-Feststoffbatterie sein, ein Zwischenschritt auf dem Weg zu echten Feststoffbatterien. Diese gelten als heiliger Gral der Batterietechnik, weil sie durch einen komplett festen Elektrolyten deutlich sicherer und langlebiger sein sollen als Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigem Elektrolyten. Außerdem sollen sie eine sehr hohe Energiedichte haben und sich sehr schnell laden lassen.
Viele Batteriehersteller forschen an dieser Technik, jedoch scheint die Fertigung sehr anspruchsvoll zu sein, weshalb einige in der Zwischenzeit auf die Fast-Feststoffbatterien setzen, die noch einen Flüssigkeitsanteil im Elektrolyten von fünf bis zehn Prozent haben. Aber auch diese Technik glänzt schon mit einer hohen Energiedichte.
Neue Silizium-Anoden
Eine weitere vielversprechende Technik sind Anoden mit einem hohen Siliziumanteil. Denn Silizium bietet eine um den Faktor zehn höhere Speicherfähigkeit als das bisher meist eingesetzte Grafit. Silizium hat nämlich nach Lithium die zweithöchste Speicherkapazität bezogen auf das Gewicht. Silizium ermöglicht zudem Zellen mit hoher Schnellladefähigkeit. Nach Angaben des Herstellers Porsche, der unter anderem an solchen Batterien arbeitet, ließen sie sich in weniger als 15 Minuten von 5 auf 80 Prozent aufladen.
Doch Silizium hat auch Nachteile. Die Siliziumpartikel dehnen sich bei der Aufnahme von Lithium um 300 Prozent aus. Das verursacht mechanische Probleme im Material und in der Elektrode. Würden die Elektrodenoberflächen dadurch Schaden nehmen, würde auch die Lebensdauer des Akkus leiden. Ein Weg, das Silizium doch verwenden zu können, ist es, dieses in Form von Nanodrähten in die Grafitanode einzubringen. Diesen Weg geht beispielsweise das amerikanische Start-up OneD Battery und verdreifacht damit nach eigener Aussage die Energiedichte. Außerdem würden die Batteriezellen durch die Silizium-Technik billiger. OneD will erste Batterien mit Siliziumanoden in drei bis vier Jahren auf den Markt bringen.
Nach Einschätzung von Batterieexperten sind durch die Kombination von neuer Anodenchemie und dichtem Packaging der Zellen mittelfristig nicht nur Reichweiten von 1.000 Kilometern, sondern sogar von 1.300 Kilometern möglich.
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