Mobilitätsstudie Koste es, was es wolle?
Prinzipiell stellen nur wenige deutsche Autofahrer den Besitz ihres eigenen Pkw infrage. Doch für ausgewählte Fahrten greifen sie durchaus auf Alternativen zurück. Das zeigt eine internationale Studie des Finanzdienstleisters Consors Finanz BNP Paribas.

Verkehrschaos in den Städten, ein größeres Umweltbewusstsein der Bürger oder ein besseres öffentliches Verkehrssystem – prinzipiell könnten einige Ursachen dafür verantwortlich sein, wenn sich Menschen für Alternativen zum Auto interessieren. In der Praxis ist es aber meist nur ein Grund, der alternative Mobilitätsformen attraktiver erscheinen lässt – und zwar weltweit: Die gestiegenen Kosten für die Anschaffung, den Unterhalt und vor allem den Betrieb von Autos.
Vor allem die stark gestiegenen Spritpreise strapazierten im vergangenen Jahr das Budget von Autofahrern – nicht nur in Deutschland. In der gleichen Zeit rückte die sogenannte Soft Mobility, also Mobilitätsformen, die die Umwelt weniger belasten, stärker ins Visier der Fahrer.
Nach den Ergebnissen des Autobarometers 2023 „Cars: Whatever it takes?“ von Consors Finanz BNP Paribas steigen knapp 30 Prozent der deutschen Autobesitzer (weltweit: 32 %) nun häufiger als früher auf das Fahrrad oder gehen zu Fuß; 20 Prozent (24 % weltweit) nehmen öfter Bus und Bahn.
Inzwischen nutzen weltweit mehr als vier von zehn Autobesitzern regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel, ein Fahrrad oder einen E-Roller als Alternative für ihre täglichen Fahrten zur Arbeit. In Deutschland ist es sogar gut die Hälfte. Für Touren zum Supermarkt oder zu Hobbys lassen 44 Prozent der Befragten (sowohl in Deutschland als auch weltweit) ihr Auto inzwischen stehen.
Auch für größere Reisen bleibt der Pkw zwar noch das Transportmittel Nummer eins – allerdings nicht mehr mit einem riesigen Vorsprung: 51 Prozent der Deutschen und 39 Prozent weltweit fahren mit dem Auto in den Urlaub, 25 beziehungsweise 33 Prozent nehmen Zug oder Reisebus, 15 respektive 13 Prozent Flugzeug oder Schiff und 9 beziehungsweise 15 Prozent setzen auf Carsharing.
Statussymbol E-Bike
Die nach wie vor relativ geringe Zahl der Carsharing-Nutzer deutet an, was neben den finanziellen Einsparmöglichkeiten ein weiteres wichtiges Kriterium dafür ist, dass Mobilitätsalternativen attraktiv erscheinen: Ein hohes Maß an Flexibilität. Hier kann insbesondere das eigene Fahrrad punkten. 56 Prozent der Deutschen haben ein Fahrrad in der Garage stehen, mit dem sie regelmäßig unterwegs sind. In 16 Prozent der Haushalte findet sich ein Motorrad oder Motorroller und bei neun Prozent ein Scooter.
Die Entwicklung spiegelt zugleich einen veränderten Mobilitätskonsum wider: E-Bikes entwickeln sich zu einem neuen Statussymbol – ihr Absatz hat sich in Deutschland seit 2015 vervierfacht und lag 2022 bei 2,2 Millionen verkauften E-Bikes. Das entspricht einem Marktanteil von 48 Prozent des Gesamtabsatzes an Fahrrädern. Und laut dem Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) werden E-Bikes dann erheblich öfter und über längere Wege verwendet als klassische Fahrräder.
Alle Angebote der Soft Mobility haben gemein, dass sie in (Groß-)Städten erheblich populärer sind als auf dem Land. Für die deutsche Landbevölkerung ist das Auto nach wie vor klar das Verkehrsmittel der Wahl. In Bezug auf die täglichen Fahrten zeigt sich das Gefälle am deutlichsten: 65 Prozent der deutschen Landbewohner geben an, dafür beinahe ausschließlich den Pkw zu nutzen (weltweit sind es 56 %). Unter den Stadtbewohnern sind es nur 41 Prozent in Deutschland beziehungsweise 35 Prozent weltweit.
Zumindest die ländlichen Berufspendler konnten oder wollten auf die gestiegenen Mobilitätskosten nur in geringem Maße reagieren. Denn auch eine sparsamere Fahrweise oder der Umstieg auf ein Modell mit niedrigerem Verbrauch kam nur für eine Minderheit in Frage.
Neue Rolle für die Händler
In den Städten und erst recht in großen Metropolen wird sich aus Sicht von Bernd Brauer, Head of Mobility bei Consors Finanz, dagegen mehr und mehr ein Mobilitätsmix etablieren: „Das Auto wird zu einem Puzzleteil eines ganzheitlichen, sauberen Verkehrskonzepts werden“, sagt er. Während die Wagen zu Hause oder im Parkhaus am Rande der City stehen blieben, übernähmen (Leih-)Zweiräder, Bahn oder E-Busse die letzte Meile.
Entsprechend werde sich auch der Bedarf insbesondere von Kommunen und Logistikanbietern ändern: „Die Nachfrage nach E-Bussen jeder Art und Größe und nach Fahrzeugen mit autonomer Steuerung steigt deutlich“, sagt der Branchenexperte. Darauf müssen sich Hersteller und Händler einstellen. „Sie können sich frühzeitig als Partner von Kommunen positionieren und müssen öffentliche Ausschreibungen gut im Blick behalten.“
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