Alternative Antriebe Kaum Chancen für Wasserstoff

Von Edgar Schmidt Lesedauer: 6 min |

Lange Zeit wurde die Brennstoffzelle als zukunftsträchtiger Energielieferant für Fahrzeugantriebe gehandelt. Noch immer gibt es Hersteller, die auf diese Technik setzen. Sie hat jedoch einen starken Konkurrenten.

Wasserstoff hat für den Antrieb von Pkw kaum noch Chancen, da er an anderer Stelle sinnvoller einsetzbar ist.
Wasserstoff hat für den Antrieb von Pkw kaum noch Chancen, da er an anderer Stelle sinnvoller einsetzbar ist.
(Bild: Tom Kirkpatrick/BMW AG)

Aktuelle Diskussionen rund um den Fahrzeugantrieb drehen sich derzeit vornehmlich darum, ob der batterie­elektrische Antrieb künftig alle Anforderungen erfüllen kann oder ob wir zusätzlich E-Fuels und Verbrennungsmotoren brauchen, um die individuelle Mobilität umweltgerecht aufrechterhalten zu können.

Doch es gibt noch eine dritte Möglichkeit, den Antrieb mit Energie zu versorgen, die immer wieder ins Gespräch gebracht wird: die vor einigen Jahren noch hoch gelobte Brennstoffzelle. Hätten sich die Hersteller an ihre früheren Ankündigungen gehalten, wären bereits viele Autos auf der Straße, die mit Wasserstoff und Brennstoffzelle fahren. Doch nach vollmundigen Ankündigungen folgte meist nur eine magere Kleinserie – abgesehen von Toyota und Hyundai, die mit echten Serienfahrzeugen auf den Markt gekommen sind.

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Aktuell hat BMW das Thema wieder in den Fokus gerückt. Die Bayern haben im Dezember 2022 die Produktion ihres Wasserstoff-Brennstoffzellen-SUVs „iX5 Hydrogen“ begonnen. Jetzt sind die ersten Modelle auf den Straßen unterwegs. Dabei handelt es sich jedoch noch um weniger als 100 Fahrzeuge, die im Flottenversuch und bei Endkunden zum Einsatz kommen sollen.

BMW bekennt sich zwar auch zum batterieelektrischen Antrieb; noch vor 2030 sollen mehr als die Hälfte der weltweiten Verkäufe vollelek­trische Fahrzeuge sein. BMW-Chef Oliver Zipse betonte aber bei seiner Rede auf der BMW-Jahreskonferenz 2023 im März, dass die Mobilität der Zukunft neben dem batterieelektrischen Antrieb mindestens ein zweites Standbein brauche. „Für uns ergänzen wasserstoffelektrische Fahrzeuge die E-Mobilität auf sinnvolle Weise.“ Ein Serienangebot mit Brennstoffzellenfahrzeugen kann er sich jedoch erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts vorstellen.

Wasserstoff

Wasserstoff ist das kleinste und häufigste Element des Universums. Auf der Erde kommt es fast ausschließlich in gebundener Form vor: Es steckt in fossilen Rohstoffen wie Erdgas und Erdöl und ist – wie sein chemisches Symbol „H2“ bereits zeigt – auf der Erde vor allem in H2O, also in Wasser, gebunden. Wasserstoff wird heute hauptsächlich mittels Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen. Dabei wird viel CO2 freigesetzt. Alternativ kann Wasserstoff mit Strom im Elektrolyseverfahren erzeugt werden. Für 1 Kilogramm Wasserstoff, der für etwa 100 Kilometer Fahrstrecke reicht, braucht man rund 60 kWh Strom und neun Liter Wasser.

H2-Transporter

An die Zukunft des Brennstoffzellenantriebs glaubt auch der Fahrzeugtuner ABT. Das Kemptener Unternehmen hat für die Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben eigens die ABT E-Line GmbH gegründet und setzt beim Thema Brennstoffzelle auf die Transporterklasse. Denn in der Expresslogistik seien beispielsweise Tagesetappen von 800 Kilometern üblich. Dafür wären laut Unternehmensangaben Batteriegrößen von 300 kWh nötig, um ohne zeitaufwendige Ladestopps auszukommen.

Solche Batterien seien aber kurz- und mittelfristig in der Transporterklasse nicht darstellbar. „Wir sehen deshalb in der Langstreckenlogistik einen sinnvollen Einsatzbereich der Wasserstoff-Brennstoffzelle“, sagt Eric Plekkepoel, CEO der ABT E-Line GmbH. ABT hatte zur IAA Transportation im September 2022 zwei serienmäßige E-Transporter mit einem Brennstoffzellenantrieb ausgerüstet. Das Antriebskonzept mit bis zu sieben Wasserstofftanks erlaubt laut ABT sogar gegenüber herkömmlichen Dieselmodellen ein Reichweitenplus von mehreren Hundert Kilometern. Das Interesse an diesen Fahrzeugen war auf der Messe so groß, dass das Unternehmen nun mit Partnern ein Serienmodell entwickeln will.

In der Transporterklasse setzt auch Stellantis auf die Brennstoffzelle – wie BMW zusätzlich zur Antriebsbatterie. Für den Konzern baut beispielsweise Opel den eigentlich batterieelektrischen Transporter Vivaro-e zu einem Brennstoffzellenfahrzeug um. Der Vivaro-e Hydrogen hat ein Plug-in-Brennstoffzellen-Konzept, bei dem eine 45-kW-Brennstoffzelle genug Leistung für längere Fahrten auf der Autobahn liefert. Beim Start oder Beschleunigen sowie bei der Höchstgeschwindigkeit unterstützt eine unter den Vordersitzen untergebrachte 10,5-kWh-Lithium-Ionen-Batterie die Brennstoffzelle, um Lastspitzen abzudecken. Dank der Plug-in-Möglichkeit lässt sich die Batterie bei Bedarf auch extern aufladen, sodass das Fahrzeug 50 Kilometer rein batterieelektrisch zurücklegen kann.

Nur wenige Fahrzeuge

Trotz unbestreitbarer Vorteile konnte sich die Brennstoffzelle bisher nicht durchsetzen. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt gerade einmal 835 Brennstoffzellenfahrzeuge neu auf die Straße gebracht. Der Bestand an Brennstoffzellenfahrzeugen betrug am 1. Januar 2023 insgesamt 2.141. In dieser Zahl sind sämtliche Fahrzeugkategorien enthalten, also Pkw, Lkw und Busse. Die rund 90 Wasserstofftankstellen in Deutschland könnten durchaus mehr Fahrzeuge versorgen.

Allerdings hat die Brennstoffzelle einen großen Wettbewerber: die Antriebsbatterie. Die Batterietechnik ist inzwischen so gut geworden, dass selbst Fernverkehrs-Lkw nicht mehr auf die Brennstoffzellentechnik angewiesen sind. Laut einer vom Lkw-Hersteller Traton in Auftrag gegebenen Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung ISI ist der batterieelektrische Antrieb in den allermeisten Regionen und Anwendungen von Nutzfahrzeugen – inklusive des Schwerlastfernverkehrs – der Brennstoffzelle überlegen. Denn der Wasserstoff-Lkw habe einen entscheidenden Nachteil: Nur etwa ein Viertel der Ausgangsenergie fließe in den Antrieb, drei Viertel gingen durch Umwandlungsverluste verloren. Beim E-Lkw sei das Verhältnis umgekehrt.

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Außerdem zeigt das Ergebnis einer weiteren Studie des Fraunhofer ISI, dass Wasserstoff auch in einigen Jahren noch deutlich teurer sein wird als Fahrstrom. Das liegt laut den Forschern daran, dass inzwischen sehr viele Branchen auf regenerativ erzeugten Wasserstoff angewiesen sind, wenn sie ihre CO2-Emissionen verringern wollen. Dazu gehören zum Beispiel die Stahl- und die Chemieindustrie. Und auch im internationalen Flug- und Schiffsverkehr dürfte es künftig zu einer hohen Nachfrage nach grünem Wasserstoff kommen. Hier ist der begehrte Stoff die Grundlage für synthetisch hergestellte Kraftstoffe.

Die Berechnungen in der Studie zeigen, dass allein die Nachfrage in der Chemie- und Stahlindustrie im Jahr 2045 circa 250 TWh betragen könnte. Das entspricht in etwa zehn Prozent des heutigen Endenergiebedarfs in ganz Deutschland. Dafür müssten laut der Fraunhofer-Experten allein in Deutschland enorme Elektrolyse-Kapazitäten aufgebaut werden – rund 20 GW, also etwa das Vierzigfache der aktuell global installierten Elektrolyseleistung. Das sei nicht nur zeit- und kapitalintensiv, sondern würde auch ein hohes Ausbautempo erfordern.

Neue Batterietechnik

Zum Glück bieten die Antriebsbatterien noch viel Entwicklungspotenzial. Schnellere Ladezeiten lassen sich zum Beispiel über eine höhere Bordspannung erreichen. Denn da die Ladeleistung ein Produkt aus Spannung und Stromstärke ist, lässt sich mit einer verdoppelten Spannung bei gleicher Stromstärke ein Auto doppelt so schnell laden. Bisher setzen nur Autohersteller wie Audi, Hyundai und Porsche die 800-Volt-Technik ein. Die anderen vertrauen bisher eher auf die 400 Volt. Doch auch Renault und Nissan sowie die Marken des Stellantis-Konzerns arbeiten inzwischen an einer Verdoppelung der Bordspannung.

Neue Batteriechemie und geänderte Herstellungsverfahren sollen zudem die Energiedichte der Antriebsbatterien steigern und ihre Ladeleistung verbessern. So sollen beispielsweise Nanodrähte aus Silizium in der Graphit-Anode von Li­thium-Ionen-Batterien laut dem US-amerikanischen Start-up One D Battery die Energiedichte verdreifachen können. Silizium könne nämlich im Vergleich zu Graphit die zehnfache Energie speichern. Der Autokonzern General Motors ist so überzeugt von dieser Technik, dass die Amerikaner bei dem Start-up eingestiegen sind. In drei bis vier Jahren soll es erste Batterien mit dieser Technik geben.

Etwas später will Nissan mit einer Festkörperbatterie auf den Markt kommen. Die Japaner haben angekündigt, diese Technik bis 2028 zur Serienreife zu bringen. Auch Konzerne wie Mercedes, Volkswagen und Toyota arbeiten intensiv an dieser Technik. Denn Antriebsbatterien, die anstelle eines flüssigen einen Festkörper als Elektrolyt haben, sollen nicht nur sicherer sein als bisherige Energiespeicher. Sie sollen zudem eine höhere Energiedichte haben, weniger Kosten und bessere Ladeleistungen aufweisen.

Und dann gibt es da noch die Natrium-Ionen-Batterie, die die Autohersteller unabhängig vom Lithium machen sollen. Auch in diesem Bereich ist die Entwicklungsintensität hoch, sodass relativ schnell Erfolge zu erwarten sind. Alle diese Entwicklungen zeigen, dass die Autoindustrie wahrscheinlich auf die Brennstoffzelle als Energielieferant verzichten kann. Und wenn der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den nächsten Jahren gelingen sollte, gehören mit der neuen Batterietechnik stundenlange Ladezeiten schon bald der Vergangenheit an. Spätestens dann wird niemand mehr den Verbrennungsmotor oder die Brennstoffzelle vermissen.

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