Mahle Mehr Kühlung statt mehr Kolben
Wie kann einem Zulieferer, der auf Verbrennungsmotoren spezialisiert ist, die Transformation hin zur Elektromobilität gelingen? Mahle hat für sich eine Antwort gefunden, die den Umsatz langfristig verdreifachen kann und sowohl die Autoindustrie als auch die freien Werkstätten berücksichtigt. Anschauen kann man sich das im September auf der IAA in München.

Wie kann ein bisher auf Kolbenmaschinen spezialisierter Automobilzulieferer auch von der Elektromobilität profitieren? Mahle hat diese Frage im Rahmen eines Tech Day beantwortet: mit Systemkompetenz für den gesamte Antriebsstrang inklusive Laden und Werkstattdiagnose. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf einer Kernkompetenz der Stuttgarter, die sowohl bei Verbrennern als auch bei E-Autos wichtig ist: dem Thermomanagement.
Arnd Franz, Vorsitzender der Mahle-Konzern-Geschäftsführung und CEO ist sich sicher: „Systemkompetenz ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Elektrifizierung. Denn das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten bei elektrischen Antrieben ist wesentlich komplexer als bei Verbrennungsmotoren.“ Laut Franz böte die Elektromobilität für Mahle sogar die große Chance, den Umsatz deutlich zu steigern. Denn wenn man bei einem Auto mit Verbrennungsmotor den möglichen sogenannten Content per Vehicle mit 100 Prozent ansetze, liege er nach den Prognosen des Unternehmens bei einem Brennstoffzellenfahrzeug bei 190 Prozent und bei einem batterieelektrischen Auto sogar bei 280 Prozent. Kein Wunder also, dass der Zulieferer die Entwicklungen in Sachen Elektromobilität und Wasserstoff enorm ausgebaut hat und intensiv an der eigenen Transformation arbeitet. Dabei berücksichtigt er nicht nur Pkw und Lkw. Auch Antriebe für E-Bikes hat Mahle im Programm.
Gutes Thermomanagement verbessert die Reichweite
Zu den Neuentwicklungen für E-Autos gehört beispielsweise ein Thermomanagement-Modul, das Wärmetauscher, Kühlmittelpumpen, Kondensator, Chiller, Sensorik und Ventile in einer Einheit zusammenfasst. Dies reduziert laut Werksangaben nicht nur Bauraum, Entwicklungsaufwand und Kosten. Es mache das Gesamtsystem auch deutlich effizienter: Bis zu 20 Prozent mehr Reichweite seien im Systemverbund mit einer Wärmepumpe gegenüber einer reinen E-Heizer-Architektur möglich.
Und ein gutes Thermomanagement bewirke noch mehr. Denn von der richtigen Temperatur zum richtigen Zeitpunkt hängen auch die Lebensdauer der Batterie, die Performance des Antriebs und die Schnellladefähigkeit ab.
Für die richtige Batterietemperatur soll künftig eine weitere Mahle-Neuheit sorgen: eine bionische Batteriekühlplatte. Um die Kühlleistung gegenüber einer herkömmlichen Kühlplatte zu verbessern, haben sich die Mahle-Entwickler Strömungsprinzipien in großen Flussmündungen und bei Korallen abgeschaut. Der Druckverlust innerhalb der Platte sei durch die Maßnahmen um 20 Prozent geringer, wodurch sich die Wärmeübertragung um 10 Prozent verbessert habe.
Kräftige E-Motoren
Auch die E-Motoren profitieren bekanntlich vom Mahle-Thermomanagement. Im Programm hat das Unternehmen bereits einen permanenterregten E-Motor, der durch ein ausgefeiltes Kühlkonzept unbegrenzt mit hoher Leistung arbeiten kann. Die Dauerleistung des sehr kompakten SCT-E-Motors (Superior Continuous Torque) liegt laut Werksangaben bei über 90 Prozent der Spitzenleistung. Damit könne ein E-Lkw problemlos voll beladen über steile Gebirgspässe fahren oder ein Pkw mehrmals hintereinander stark beschleunigen.
Ein zweiter Mahle-E-Motor kommt ohne Magneten und damit ohne seltene Erden aus. Der MCT (Magnet-free Contactless Transmitter) ist ein fremderregter Synchronmotor. Neu ist nun, dass die Stuttgarter die Eigenschaften der beiden Konzepte in einem Technologie-Baukasten kombinieren. „Mit diesem einzigartigen Baukasten für E-Motoren können wir unseren Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten“, sagte Franz.
Leichter laden und diagnostizieren
Bei der Ladeinfrastruktur setzt Mahle zusätzlich zu seinem kabelgebundenen Angebot „chargeBIG“ künftig auch auf kabelloses, induktives Laden. Gemeinsam mit Siemens entwickelt der Zulieferer ein Gesamtsystem aus Infrastruktur und Fahrzeugtechnik. Eine Ladeleistung von 11 kW mit einem Wirkungsgrad von 92 Prozent sei damit problemlos möglich. Im Rahmen des Tech Day stellte das Unternehmen ein automatisiertes Positionierungssystem für diese Ladetechnik vor, bei der das Fahrzeug die Induktionsfläche im Boden erkennt und dem Fahrer Unterstützung bei der Positionierung bietet – das soll selbst dann funktionieren, wenn die Induktionsfläche mit Schmutz oder Schnee bedeckt ist.
Die Systemkompetenz von Mahle erstreckt sich auch bis in den Aftermarket. Bereits im vergangen Jahr hatte das Unternehmen eine fahrzeug- und herstellerunabhängige Batteriediagnose für Antriebsbatterien von E-Fahrzeugen vorgestellt. Dieses „E-Health“ genannte Diagnosesystem soll nun in diesem Jahr auf den Markt kommen. Das Besondere daran: Es kombiniert Laden und Diagnose und soll aus den dabei gewonnenen Daten in weniger als 15 Minuten zuverlässige Angaben über den „Gesundheitszustand“ der Hochvolt-Batterie liefern.
Verbrenner weiter begleiten
Trotz des Transformationsprozesses will Mahle das Engagement für Verbrennungsmotoren in den nächsten Jahren noch nicht aufgeben. „Nach unseren Analysen wird der Verbrennungsmotor noch viele Jahre lang weltweit eine bedeutende Rolle spielen“, erläutert Franz. Schon allein deshalb sei es wichtig, die Verbrennungsmotoren auch weiterhin zu optimieren. Diese Zeit muss der Zulieferer aber auch dazu nutzen, das Geld für die Aktivitäten in der Elektromobilität zu erwirtschaften. Denn Franz ist sich sicher: „In den nächsten vier bis fünf Jahren wird dieses Geschäftsfeld noch kein Gewinnbringer sein.“
Seine Expertise für Verbrennungsmotoren nutzt der Konzern zudem, um den Weg für eventuell notwendige alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff und Ethanol motorseitig zu ebnen. So seien aus Sicht des Zulieferers zum Beispiel Wasserstoffmotoren besonders beim schweren Nutzfahrzeug und bei Off-Highway-Anwendungen eine schnelle Möglichkeit, um den Antrieb zu dekarbonisieren. Mahle hat jüngst den ersten Serienauftrag von Deutz für Komponenten erhalten, die in Stationärmotoren zum Einsatz kommen sollen.
Wer Mahle auf der IAA besuchen möchte, die vom 5. bis 10. September in München stattfindet, findet den Zulieferer auf dem Messegelände (Summit) in Halle A2 sowie in der Testing Area in Halle C2.
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