Carsharing Begrenztes Wachstum
Mehr Nutzer, mehr Autos, mehr Städte: Carsharing hat im vergangenen Jahr in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Doch an einem wichtigen Punkt muss die Branche auch Rückschläge verzeichnen.

Die Aussagen scheinen widersprüchlich: Einerseits prognostizieren Wissenschaftler, dass immer mehr Kunden – vor allem die jungen in den Städten – auf ein eigenes Fahrzeug verzichten. Diesen reiche es, bei Bedarf ein Carsharing-Auto zu nutzen. Andererseits bezeichnen im aktuellen DAT-Report 77 Prozent der Befragten ihr eigenes Auto als unverzichtbar. Lediglich für 17 Prozent stellt Carsharing eine Alternative dar.
Was stimmt denn nun? Ein Blick auf die konkreten Zahlen zeigt, dass zum Stichtag 31. Dezember in Deutschland 33.930 Carsharing-Fahrzeuge zur Verfügung standen. Dieser vom Bundesverband Carsharing (BCS) ermittelte Wert erscheint im Vergleich zu den laut Kraftfahrt-Bundesamt insgesamt rund 60 Millionen registrierten Kraftfahrzeugen verschwindend gering.
Deutlich eindrucksvoller sind da schon die 4.472.800 für Carsharing angemeldeten Fahrberechtigten. Mindestens genauso wichtig: Laut BCS-Jahresbilanz stieg dieser Wert gegenüber 2021 um 31,8 Prozent. Und auch die Zahl der Fahrzeuge hat sich binnen eines Jahres um immerhin 12,4 Prozent erhöht.
Mehr in die Fläche
Besonders groß ist der Carsharing-Markt traditionell in den Metropolen. Inzwischen wächst das Angebot aber auch in der Fläche. Zum Jahreswechsel gab es in Deutschland 1.082 Städte und Gemeinden mit einem entsprechenden Angebot. Das sind 147 Orte mehr als im Vorjahr. Neue Angebote sind vor allem in kleineren Städte und Gemeinden im ländlichen Raum hinzugekommen. Mittlerweile verfügen in Deutschland 925 Orte mit weniger als 50.000 Einwohnern über ein Carsharing-Angebot.
Nach Ansicht von BCS-Geschäftsführer Gunnar Nehrke ist das nicht nur für seinen Verband eine gute Entwicklung, sondern auch für den Klimaschutz in Deutschland. Ein Carsharing-Fahrzeug ersetze nämlich bis zu 20 private Pkw. Die Nutzer seien oft auch mit Fahrrad, Bus und Bahn unterwegs und würden das Auto nur dann gezielt nutzen, wenn sie es wirklich brauchen. „Carsharing ist damit ein wichtiges Werkzeug, um den Flächenverbrauch und die klimaschädlichen Emissionen des Pkw-Verkehrs zu reduzieren. Die Anbieter sind starke Partner der Kommunen bei der Umsetzung der Verkehrswende“, so Nehrke.
Geteilte E-Autos
Ein weiterer Beitrag zum Klimaschutz wäre es, wenn die geteilten Autos CO2-neutral unterwegs wären. Hier sind die Carsharing-Anbieter prinzipiell auch überdurchschnittlich gut aufgestellt: In ihrem Bestand liegt der Anteil der Elektroautos bei 20,5 Prozent. Zum Vergleich: In der gesamten nationalen Pkw-Flotte beträgt die E-Quote nur 3,3 Prozent.
Doch während in Deutschland insgesamt nach und nach immer mehr Elektroautos auf die Straßen kamen, zeigte bei den Carsharern im vergangenen Jahr der Pfeil nach unten: 2021 hatte bei denen der Elektroanteil nämlich noch 23,3 Prozent betragen. Der aktuelle prozentuale Rückgang zeigt an, dass der E-Anteil nicht mehr mit der Carsharing-Flotte mitgewachsen ist.
BCS-Geschäftsführer Nehrke macht dafür Fehler in der Förderpolitik und Lücken in der Ladeinfrastruktur verantwortlich: „Die Förderung für Ladeinfrastruktur ist einseitig auf die Nutzung privater Pkw ausgerichtet“ kritisiert er. Für Carsharing geeignete Ladepunkte würden vom Bund gar nicht gefördert. Die Bundesregierung müsse mit einem Förderprogramm für die Elektrifizierung öffentlich zugänglicher Fahrzeugflotten endlich Abhilfe schaffen.
Fließend oder stationär
Über 75 Prozent der Carsharing-Kunden sind bei einem sogenannten Free-Floating-Anbieter registriert. Sie schätzen den Vorteil, dass sie ihren Wagen an einem anderen Punkt zurückgeben können, als sie ihn übernommen haben. Auch die Mehrzahl der Autos ist nach diesem System unterwegs, das zudem die höheren Zuwachsraten verzeichnet.
Allerdings beschränkt sich dieses Wachstum weitgehend auf die großen Städte. Free-Floating-Carsharing ist nur in 34 deutschen Städten vertreten, hauptsächlich in Metropolen wie Berlin, Hamburg und München sowie in einigen Umlandgemeinden dieser Städte. In diesen Geschäftsgebieten stellen die Anbieter oft mehrere Tausend Fahrzeuge bereit.
Das stationsbasierte Carsharing ist dagegen für die Verbreitung in der Fläche verantwortlich: In 1.078 der 1.082 deutschen Carsharing-Orte wird diese Variante des Autoteilens bereitgestellt. Verantwortlich dafür zeichnet eine Vielzahl oftmals kleinerer Anbieter, darunter neben Unternehmen auch Genossenschaften und Vereine.
Insgesamt gibt es in Deutschland 249 Anbieter. Die wenigsten haben sich auf Free Floating spezialisiert, dafür verfolgen mit Miles, Share Now und Sixt share gleich drei große Platzhirsche dieses Modell. Zudem kombinieren inzwischen mehr und mehr Unternehmen beide Angebotsmodelle. Die größten davon sind Stadtmobil, Cambio, Teilauto sowie Book-n-drive.
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